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Über Kälte und Wärme

Manche Situationen und Menschen lassen mich frösteln. Genau genommen ist es aber gar nicht die Situation oder der Mensch an sich, sondern das jeweilige Verhalten, das in mir dieses Gefühl auslöst. Ich reagiere auf einen kalten Blick oder eine eiskalte Schulter, die mir gezeigt wird, unmittelbar. Ein Gespräch, bei dem es mir eiskalt den Rücken hinunterläuft irritiert mich genauso wie empathielose Kaltherzigkeit oder ein Meeting in einer unterkühlten Atmosphäre. Im Gegensatz dazu freue ich mich über warmherzige Worte, herzerfrischende Begegnungen und körperliche Nähe und Wärme, wenn ich sie benötige. Wie würde ich das vermissen! Tatsächlich ist das Gefühl der Geborgenheit stark mit Wärme verbunden. Und zwar in allen Variationen. Hinter den größten und dicksten Mauern, in der mächtigsten Burg würden wir uns nicht geborgen fühlen, wenn es dort nicht irgendeine wärmende Stelle für uns gäbe. Sei es ein Kaminfeuer, oder eine Schlafstelle mit wärmenden Decken. Vielleicht stehen auch nur dicke, warme Socken zur Verfügung oder die alten, ausgelatschten Pantoffeln, in denen wir uns doch so wohlfühlen! Alleine schon der Gedanke an ein entspannendes, heißes Bad oder eine Dusche löst in uns ein Wohlgefühl aus. Und was wären Winterabende ohne eine wunderbare Tasse mit frischem, duftenden, heißen Tee? Wo uns diese behagliche Wärme fehlt, wünschen wir uns die Nähe eines anderen Menschen. Und am allerbesten wäre es, mit anderen Menschen gemeinsam diese Wärme erleben zu können. Menschen brauchen Menschen. Sie brauchen Wärme und Berührung.


Als es 1979 in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá zu wenige Brutkästen für die frühgeborenen Kinder gab, hatten zwei Ärzte die geniale Idee zumindest die Wärmezufuhr durch die Mütter sicherstellen zu lassen. Sie legten die Frühchen immer wieder für ein paar Stunden auf die nackten Oberkörper der Mütter und deckten sie von hinten mit warmen, weichen Decken zu. Die Mütter wurden gebeten, mit den Kindern zu sprechen, sie zu streicheln, ihnen etwas vorzusingen und sie sanft hin und her zu wiegen. Dafür wurde sogar ein eigener Name gefunden: „Kangarooing“. Die Kinder, die solcherart Geborgenheit erlebten, entwickelten sich gesünder und stabiler, als andere.


Bei meinen Einsätzen als psychosozialer Akutbetreuer braucht es oft gar nicht viele Worte. In Situationen, in denen das Leben den Menschen gerade den Boden unter den Füßen wegzieht, können Worte sogar eine nachrangige Bedeutung haben. Das trifft umso mehr zu, wenn sie aus eigener Hilflosigkeit oder Überforderung zu Floskeln verkommen. Meistens geht es vor allem darum, dass einfach jemand da ist. Dass ein Mensch in der Nähe ist, der einen verständnisvoll anblickt, ein Taschentuch reicht und die fast unerträgliche Situation mit einem gemeinsam aushält. Und vielleicht sogar, wenn es gewünscht wird, manchmal die Hand hält. Dann sprechen wir von Herz zu Herz. Ohne Worte, aber mit ganz viel menschlicher Wärme.


© Thomas Kalkus-Promitzer 2022-08-25

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