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Die Farbe deiner Gedanken

Stell dir vor, dein Geist sei ein unbeschriebenes Blatt Papier. Jeder Gedanke, der sich in deinem Kopf regt, hinterlässt eine Spur, einen Farbklecks, eine Schattierung. Mit der Zeit entsteht daraus ein Bild, das deine innere Welt formt. Marc Aurel sprach davon, dass die Seele die Farbe der Gedanken annimmt. Ein einfaches, aber tiefgehendes Prinzip, das dir zeigt, dass du nicht machtlos bist gegenüber deinem Innenleben.


Erinnere dich an einen Raum, der lange leer stand. Stell dir vor, wie der Staub sich in den Ecken sammelt, wie die Fenster allmählich verblassen, das Licht dumpf wird. So ist es mit negativen Gedanken. Sie setzen sich fest, schleichen sich ein, und wenn sie lange genug bleiben, überziehen sie deine Seele mit einer grauen Schicht. Vielleicht merkst du es nicht einmal sofort. Vielleicht glaubst du, dass das einfach die Realität ist, dass das Leben eben so aussieht. Doch in Wahrheit sind es die Gedanken, die du zulässt, die dein Bild der Welt einfärben.


Stell dir nun vor, du beginnst, jeden Tag ein kleines Fenster zu öffnen. Ein positiver Gedanke, ein Lichtstrahl, ein bisschen Frische in diesem Raum. Anfangs scheint es nicht viel zu bewirken, doch mit der Zeit siehst du, wie das Licht die Schatten vertreibt, wie sich das Bild in dir zu verwandeln beginnt. Es ist kein schneller Prozess, aber ein möglicher.


Wenn du einen Garten pflegst, weißt du, dass die Samen, die du säst, mit der Zeit keimen. Gedanken sind wie diese Samen. Was du in deinem Kopf pflegst, wächst. Lässt du Zweifel, Angst und Wut dominieren, wirst du eine düstere, unruhige Ernte einfahren. Doch wenn du Achtsamkeit, Hoffnung und Mut kultivierst, wirst du eines Tages zwischen bunten Blüten stehen. Das erfordert Arbeit. Es erfordert Disziplin. Und es erfordert Geduld.


Manchmal sind die Gedanken, die uns belasten, nicht einmal unsere eigenen. Sie wurden uns eingepflanzt, vielleicht in der Kindheit, vielleicht von der Gesellschaft, vielleicht durch schmerzvolle Erfahrungen. Doch das bedeutet nicht, dass sie für immer bleiben müssen. Stell dir vor, du hast eine alte Leinwand vor dir, voll mit dunklen Farben, die nicht deine eigenen sind. Du hast die Möglichkeit, eine neue Schicht darüberzulegen. Du kannst entscheiden, wie du dein Bild gestaltest. Es braucht Mut, die alten Farben loszulassen, aber es ist möglich.


Wenn du jetzt zurückdenkst an Zeiten, in denen du dich glücklich gefühlt hast, erkennst du vielleicht, dass deine Gedanken damals eine andere Färbung hatten. Vielleicht war dein innerer Dialog wohlwollender, vielleicht hast du mehr Chancen als Hindernisse gesehen. Und genauso kannst du heute anfangen, dein Denken zu lenken. Nicht durch erzwungenen Optimismus, nicht durch das Ignorieren von Problemen, sondern durch eine bewusste Entscheidung: Ich wähle, worauf ich meinen Fokus richte.


Denk an das Meer. Es gibt Tage, an denen es wild und unruhig ist, Wellen brechen, der Himmel stürmisch ist. Und dann gibt es Tage, an denen es ruhig daliegt, glasklar, fast spiegelnd. Dein Geist ist wie dieses Meer. Mal ist er aufgewühlt, mal ruhig. Doch unter der Oberfläche bleibt er immer dasselbe Wasser. Deine Gedanken sind die Wellen, nicht das Meer selbst. Wenn du das erkennst, beginnst du, Abstand zu ihnen zu gewinnen. Du lernst, dass Gedanken kommen und gehen, aber du nicht jeder Welle folgen musst.


Jeden Tag hast du die Wahl, welche Gedanken du nährst. Wenn du beginnst, dies bewusst zu tun, wirst du sehen, wie sich die Farbe deiner Seele langsam wandelt. Und eines Tages wachst du auf, siehst dich um und merkst, dass der Raum in dir voller Licht ist.


Doch was geschieht, wenn dunkle Gedanken plötzlich zurückkehren? Sie werden es tun, denn das Leben ist keine geradlinige Aufwärtsbewegung. Doch dann hast du etwas, das du früher vielleicht nicht hattest: Bewusstsein. Du kannst sie wahrnehmen, ohne ihnen nachzugeben. Sie sind wie Wolken am Himmel – sie ziehen vorüber, aber sie sind nicht der Himmel selbst. Und jedes Mal, wenn du dich entscheidest, dich nicht mit ihnen zu identifizieren, stärkst du das Licht in dir.


Die Kunst besteht nicht darin, niemals negative Gedanken zu haben, sondern zu lernen, ihnen nicht die Kontrolle zu überlassen. Du bist nicht deine Angst. Du bist nicht dein Zweifel. Du bist derjenige, der entscheiden kann, was bleibt und was gehen darf. Und je öfter du dich für das Licht entscheidest, desto heller wird deine innere Welt erstrahlen. Das wünsche ich dir.


© Thomas Kalkus-Promitzer, 2025

 
 

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